von Annett Baumast
Am 31.01.2017 fand in Bern das vom Bundesamt für Raumentwicklung (ARE) und dem Bundesamt für Kultur (BAK) gemeinsam organisierte 30. Forum Nachhaltige Entwicklung unter dem Titel „Kultur und Kreativität für die nachhaltige Entwicklung“ statt. Mit hohen Erwartungen angereist, fehlte mir letztlich in den meisten Vorträgen die ernsthafte Auseinandersetzung mit einer nachhaltigen Entwicklung und der Frage, wie Kultur und Kreativität einen Beitrag dazu leisten können.
„La créativité peut agir comme levier“, Anne DuPasquier au sujet de la culture au #ARE_ForumNE_ForumDD à Bern aujourd’hui
— Timothée Olivier (@TimotheeOlivier) 31. Januar 2017
Startete das Forum zunächst vielversprechend mit Anne DuPasquiers Aussage, dass Kultur und Kreativität als Hebel für eine nachhaltige Entwicklung dienen können, wurden meine – zugegeben – hohen Erwartungen in der Folge quasi im Keim erstickt. Denn nach dem etwas irritierenden Statement von Yves Fischer, dem Stellvertretenden Direktor des BAK, dass Kultur ja quasi allen 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals) zugrunde liegt, dem dann aber keine Konkretisierung folgte, ging es im Referat von Corinne Mauch, der Stadtpräsidentin von Zürich, eigentlich ausschliesslich um Kunst und Kultur als Standort- und Wirtschaftsfaktor. Die drei Dimensionen der Nachhaltigkeit (Ökologie, Ökonomie, Soziales), das Zusammenspiel und die Möglichkeiten mit/durch Kunst und Kultur in diesem Kontext blieben in beiden Vorträgen unbeleuchtet.
Zum Glück trat im Anschluss Daniel Rossellat aufs Podium, der nicht nur Stadtpräsident von Nyon, sondern auch Präsident des Paléo Festivals ist. Neben Informationen zur Stadtentwicklung in Nyon im ganz konkreten Kontext einer nachhaltigen Entwicklung berichtete er auch über die nachhaltige Ausrichtung des Paléo Festivals und die Massnahmen, die seit Gründung umgesetzt werden und stellte in Ansätzen die Umweltpolitik des Festivals vor.
#PaléoFestival, fer de lance du développement durable nyonnais & acteur responsable du paysage culturel romand 👏🏽@DanielRossellat #ForumARE pic.twitter.com/ITCZhYXgPB
— Carnotzet Voltaire (@Carnotzet) 31. Januar 2017
Das Paléo Festival ist definitiv ein Vorbild in Sachen nachhaltiger Festivalorganisation und so ist es beispielsweise auch in einer Broschüre des ARE als gutes Beispiel für Tourismus und nachhaltige Entwicklung aufgeführt (S. 28-33). Für die – hoffentlich zahlreichen – Nachahmenden wies Daniel Rossellaz zudem auf den Leitfaden für nachhaltige Veranstaltungen hin, den Nyon 2015 (auf Französisch) veröffentlicht hat.
#ForumARE: Le Guide des manifestations durables de la Ville de Nyon, modèle à suivre au niveau communal. 🎭🌱 https://t.co/SEs6zzxIr0 pic.twitter.com/osmSqVKujb
— Laure (@mmerocknroll) 31. Januar 2017
Neben zwei Berichten zu Stadtentwicklungsprojekten und Kultureinrichtungen aus Nantes (Patrick Gyger) und Bilbao (Lourdes Fernandez, in einer der Nachmittags-Sessions) stellte Francesco Walter sein Engagement für das Musikdorf Ernen vor. In allen drei Präsentationen habe ich konkrete Bezüge zu nachhaltiger Entwicklung im Sinne des Dreiklangs von Ökologie, Ökonomie und Sozialem oder gar den 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung vermisst, die immerhin in Würfelform am Tagungsort herumstanden.
Positiv zu erwähnen ist der Vortrag von Beat von Wartburg, dem Direktor der Christoph-Merian-Stiftung, zur Entwicklung des Dreispitz-Areals in Basel, bei dem er nicht nur das Projekt selber anschaulich schilderte, sondern auch Stolpersteine und Fehler transparent aufzeigte.
Dreispitz-Areal, ambitieux projet urbain de promotion culturelle porté par la @merianstiftung à Bâle. https://t.co/BHBWvs9wK2 #ForumARE pic.twitter.com/KNAOPJC40f
— Laure (@mmerocknroll) 31. Januar 2017
Im abschliessenden Plenum wurden schliesslich nach einer kurzen Diskussion mit Charles Beer von Pro Helvetia verschiedene Projekte unter dem Titel „Heute für Morgen“ vorgestellt, bei denen allerdings der Link von Kultur und Kreativität zu einer nachhaltigen Entwicklung nicht zwingend im Vordergrund stand bzw. in der kurzen noch zur Verfügung stehenden Diskussionszeit nicht wirklich herausgearbeitet wurde.
Trotzdem sei den Organisatorinnen und Organisatoren der Tagung ein Kränzchen gewunden: neben einem reibungslosen Ablauf und tollen Einsatz der Simultan-Dolmetschenden den ganzen Tag durch, wurde bei der Verpflegung konsequent auf Nachhaltigkeit geachtet und schon für die Anfahrt wurde auf den öffentlichen Verkehr hingewiesen. Wichtige Eckpunkte einer nachhaltigen Tagungsorganisation, die auch heute noch ab und zu vergessen gehen. Etwas störend waren die vielen Stapel an Material, die man – zumindest bis zu einem gewissen Grad – heute sicher durch einen QR-Code zum Download der immer auch digital verfügbaren Broschüren ersetzen kann.
Erstaunlich bei den immerhin fast vierhundert Teilnehmenden (Rekord für das Forum!): Kunst- und Kulturschaffende, Kulturmanegende und Vertreterinnen und Vertreter von Kultureinrichungen musste man auf der langen Teilnehmendenliste lange suchen und wurde auch dann nur sporadisch fündig.
Insgesamt hinterlässt die Tagung bei mir den Eindruck, dass noch sehr viel getan werden muss, um den Kulturbertrieb, die Kulturschaffenden und auch die Kulturförderung für das Thema Nachhaltigkeit zu sensibilisieren. Auch auf allen Ebenen der Kulturpolitik ist noch deutliches Potenzial vorhanden. Weder die Strategie Nachhaltige Entwicklung, die an der Tagung stapelweise auslag, noch die 17 Ziele für eine nachhaltige Entwicklung werden in der schon wirklich von allen wahrgenommen, geschweige denn umgesetzt. Zu diesen heisst es auf der Internetseite des Bundesrates:
„Auch die Schweiz ist aufgefordert, diese Ziele auf nationaler Ebene umzusetzen. Zudem sollen Anreize geschaffen werden, damit nichtstaatliche Akteure vermehrt einen aktiven Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung leisten.“