von Annett Baumast
Derzeit läuft am Deutschen Schauspielhaus Hamburg der von Rimini Protokoll veranstaltete Abend „Welt-Klimakonferenz“ (ein Trailer ist hier zu finden). In nur drei Stunden wird mit Hilfe der Zuschauerinnen und Zuschauer eine sonst 12 Tage andauernde Klimakonferenz in groben Zügen nachgespielt. Die 650 Teilnehmenden werden zu Delegierten von insgesamt 196 verschiedenen Ländern, die von Termin zu Termin gescheucht und geschleust werden.Vollversammlung im Saal, Busfahrt mit der Regionalgruppe Nordafrika, Szenario Biodiversität im Marmorsaal, ein bilaterales Treffen mit der Delegation von St. Lucia und noch weitere Termine standen für mich als Delegationsmitglied der Gambianischen Republik auf dem Programm. Man beginnt zu ahnen, wie es an den wirklichen Klimakonferenzen, an denen regelmässig bis zu 18’000 Delegierte teilnehmen, zu- und hergeht.
Eine illustre Expertenschar (typisch Rimini Protokoll!) steht – anders als meist in der Realität – auch uns als einem der ärmsten vertretenen Länder (Nr. 166 nach dem Pro-Kopf-Einkommen) zur Verfügung. Wir erhalten fundierten Input zu Emissionshandel, Klimazonen, den eigentlichen Verhandlungsinhalten an Klimakonferenzen (Geld!) und müssen uns innerhalb unserer Delegation entscheiden. Um wieviel Prozent wollen wir unsere CO2-Emissionen bis 2020 senken? Bis 2050? Und wieviel Geld wollen wir in den Green Climate Fund einzahlen? Wir erfahren, dass wir auf unserer Konferenz weiter sind als die Realität. Denn während uns das Basisjahr 1990 für unsere CO2-Reduktionen vorgegeben wird, hat man sich „in echt“ noch nicht einmal sarauf einigen können. Auch die restlichen Fragen blieben an den internationalen Konferenzen bislang weitestgehend unbeantwortet. Und im November soll der „Weltklimavertrag“ unterschrieben werden. Wer von uns Teilnehmenden glaubt nach dieser Veranstaltung noch daran?
Nach unserem bilateralen Treffen mit St. Lucia ist klar: die haben viel mehr Geld als wir und ausserdem schon jetzt einen deutlich höheren CO2-Ausstoss. Eigentlich stehen wir in Bezug auf unsere Emissionen gut da und für den Rest – die Anpassungen an die Auswirkungen des Klimawandel, der uns als afrikanisches Land besonders hart treffen wird – brauchen wir finanzielle Unterstützung! Also, keine Reduktionsziele, kein Beitrag zum Green Climate Fund. Wir wollen uns wirtschaftlich erst einmal entwickeln können!
Im Abschlussplenum werden alle Ziele ausgewertet und Freude macht sich breit: Ja! Wir haben gemeinsam das 2°-Ziel erreicht. Dass das 1.5°C-Ziel, das die Inselstaaten anstreben, um zukünftig nicht unterzugehen, mit den Emissionsreduktionen bis 2050 nicht erreicht wird, fällt fast ein wenig unter den Tisch.
Am Ende des Abends macht sich irgendwie Ernüchterung breit. Spannend war’s und anstrengend. Aber wenn die Konferenzen tatsächlich jedes Jahr so oder so ähnlich ablaufen, wie es uns die verschiedenen Experten berichten, dann ist es kein Wunder, dass weitreichende, verbindliche und wirksame Entscheidungen bezüglich des Klimawandels bis heute nicht getroffen worden sind. Was für ein Klima-Theater!